John F. und die Gropiuslerchen

Im allgemeinen kann ich mit Großstädten nicht viel anfangen und die einzigen Großstädte in denen ich mich „zu Hause“ fühlte, das waren Wien und Rom. Berlin allerdings hatte in Taylors Familie einen besonderen Stellenwert. Nicht nur kamen mein Vater als auch meine Tante aus dieser Stadt und bei meinem Vater war es eine romantische Verklärung die 1967 einen Besuch nach sich zog. Da war ich noch sehr klein und kann mich, ehrlich gesagt an wenig, bis gar nichts erinnern außer, dass die Tanten der BEA zum kleinen Taylor richtig lieb waren, wir in aller Herrgottsfrühe aufstehen mußten, um nach Hannover zu fahren, die Mauer sich durch die Stadt zog und es viele Seen gab. Dann noch, dass die Wespen am Tegeler See den Taylor gar nicht so lieb hatten und mich ganz gemein gestochen haben. Ach ja und der wehmütige Blick meiner Mischpoke Richtung Ostteil. Während meine Oma erklärte, zeigte mein Vater mit dem Finger in verschiedene Richtungen. Ach ja und man sagt mir nach, dass ich einen Berliner Akzent besitze den manche Zeitgenossen nervig finden.

In den Achtzigern war ich dann der Meinung, ich müßte doch noch mal nach Berlin reisen und dies mit dem Auto machen. So wurde ich also bei der ständigen Vertretung der DDR vorstellig und bat um ein Transitvisum, schließlich sollte ja alles seine Ordnung haben. Der Onkel brauchte komischerweise nicht lange und verweigerte mein Ansinnen mit der Auskunft, dass mein Papa ja ein Republikflüchtling sei. Bumms, das saß. Mein alter Herr hatte in der Tat irgendwann wenig Sinn für „die da Oben“ und seine Nörgelei ging einigen so tierisch auf die Nüsse, dass sich auch die Obrigkeit für ihn interessierte und er in einer Nacht- und Nebelaktion dem Arbeiter- und Bauernstaat den Rücken kehrte; das war 1956. Ich fand das schon recht bemerkenswert, dass ausgerechnet der Sozialismus so ein langes Gedächtnis besaß und völlig nachtragend war -bei meiner Mutter hat man nicht so ein Buhei gemacht. So dauerte es bis 1993, dass ich meinen Fuß zum zweiten Mal auf Berliner Territorium setzte und mich, zusammen mit meinem Vater und seinem Kumpel, völlig ungehindert im Ostteil der Stadt bewegte. Ich war zwar da nur in Pankow, Niederschönhausen und am Prenzlauer Berg, aber ehrlich gesagt gefielen mir die Stadtteile besser als der Wedding. Da nun aber Pankow, sowie Niederschönhausen und Prenzel mitten in Berlin liegen, hat mich die Stadt irgendwie auch nicht weiter gereizt, da ziehe ich dann doch Rom, Wien, oder München vor. Was mir aber immer so eine Illusion geliefert hat, es handele sich bei Berlin um das Paradies, das war mein alter Herr und John F. und die Gropiuslerchen.

Berlin, Berlin lief zwar kaum, galt aber als Geheimtip und Kultsong, quasi das kleine tapfere Volk gegen den Rest der Welt. Der Nachfolger kam dann in einem Special-Edition-Remix kurz nach dem Mauerfall raus und fand auch nicht grad den Weg in die deutsche Öffentlichkeit. Auf jeden Fall hat der Taylor nicht nur Berlin, Berlin sondern auch seinen Nachfolger und kann, auch wenn die Qualität etwas übel ist und kein Video vorhanden, seinen Leserinnen und Lesern präsentieren

John F. und die Gropiuslerchen

Ps.: Hier noch der Kultsong von Ideal

5 Gedanken zu “John F. und die Gropiuslerchen

  1. da hat dein alter herr ja rechtzeitig den absprung beschlossen und dem taylorbob blieben diese ganzen weiteren aufregungen hier in ost und west erspart.
    der song „berlin,berlin“ wurde hier im regionalen rundfunk öfters gespielt.
    bei der wahl der freundlichen städte in west-europa würde ich noch london hinzufügen wollen. rom hat mir auch sehr gefallen und die bibiothek in der vatikanstadt war seinerzeit eines meiner liebsten studierzimmer.
    merci für diese persönlichen erinnerungsfragmente und die musik 😉

  2. Hallo Zuppi,

    vielen Dank für den Kommentar. Mein alter Herr hatte damals einen Tip bekommen, dass er verhaftet werden soll. Kurz bevor die Polizei kam ist er von Pankow nach Kreuzberg gefahren (sein Onkel war dort Fahrlehrer bei Karo-As) -56 ging das ja noch- und dann von Berlin mit dem Flieger in den Westen. Ich denke, wenn man dort, egal ob West oder Ost, aufgewachsen ist, dann hat man vielleicht eine andere Sichtweise.
    In London war ich leider noch nie, obwohl es öfters die Möglichkeit gab und die Bibliothek in der Vatikanstadt läßt wohl jedes, naja, fast jedes Herz höher schlagen. 🙂
    Das Lied von John F. habe ich damals nur durch Zufall gefunden und war überrascht, warum das außerhalb Berlins nicht gespielt wurde.

    Viele Grüße
    Taylor

  3. hi taylorbob,
    ich vage mal eine steile these:
    zur zeit des ausgehenden kalten krieges haben die wessies die berliner schon verachtet – nicht so sehr die jugendlichen,die wollten mehrheitlich gerne im westteil leben oder mindestens mal urlaub machen.aber die älteren waren neidisch auf den sonderstatus,die berlin-zulage,usw.
    den preis,den die west-berliner dafür über jahrzehnte zahlen mussten – eingemeauert und immer von ulbrichts garde schikaniert,wenn es einmal nach draussen gehen sollte,wurde nicht realistisch in die beurteilung mit einbezogen.

    und die ost-berliner wurden vom rest der ddr auch nur beneidet – schaufenster des ostens.nach dem mauerfall haben sich beide ressentiments vereinigt und die berliner wurden nur noch verscheissert.naja,genug gejammert 😉

    ich habe in den letzten 20 jahren soviel leute kennen gelernt,die durch den real existierenden dermassen krass beschädugt wurden: wäre ich niedergelassener psychoanalytiker,ich könnte mich vor klienten nicht retten – nach meinen ausflügen in die selbständigkeit lebe ich aber lieber als angestellter.
    ich hoffe, dein alter herr hat sich von dem ungemächlichkeiten der flucht erholt und sich was eigenes und neues aufbauen können.da der taylorbob so anregende texte schreibt,denke ich mal,der alte herr hat nicht alllzuviel verkehrt gemacht 😉
    ps:
    ich war nach der wende so erstaunt,wie gross der anteil von ex-ossies in meinem bekannten- und kollegenkreis war,ohne dass diese leute das auch nur einmal erwähnt hatten.als ich in der wendezeit immer wieder von meinen begenungen mit den bürgerrechtlern um den runden-tisch herum berichtete,sprudelte es förmlcih aus denen heraus.ich war sehr erstaunt darüber,dass die so lange einen wichtigen teil ihrer biographie „geiheim“ hielten.
    auf zypern habe ich kürzlich auch einige biografien aufgesammelt,die durch die teilung der insel mitte der 70iger in arges ungemach gestossen wurden.da gibt es in der eu wohl noch einiges aufzuarbeiten.
    aber zuerst müssen ja die antisemiten in ihre erdlöcher verbannt werden,wo sie auf ewig hingehören 😉

  4. Hallo Zuppi,

    Berlin galt damals als Frei und Liberal, wirklich jenseits der Welt. Viele Wessis sind ja auch nach Berlin, damit sie nicht zur Bundeswehr mußten. Das hatte irgendwie Kultcharacter, ob nun Musik, oder Kunst galt Berlin als Elysium. Manchmal hatte ich den Eindruck diejenigen, die den Hippitrail in den 60er und Anfang der 70er verpasst hatten hielten Berlin irgendwie für das Shangrila -Siehe Kreuzberg-. Die Altwessis waren auf jeden Fall sauer über den Sonderstatus, obwohl der ja so „sonder“ nicht war, man hat es sich so eingeredet. Ostberlin dagegen galt in der Rest-DDR als arrogant und was besseres, so zumindest hat man mir es berichtet. Ob das so stimmt weiß ich nicht, denke aber dass Ostberlin von der Versorgung her besser war, als der Rest der DDR. Vielleicht noch Leipzig als Messestadt.
    Bis 1961 war es noch ohne weiteres möglich von Ost nach West und umgekehrt zu fahren. Mein Vater erzählte mir, dass viele Westberliner in den Osten fuhren und dort ihre Waren kauften, während Ostberliner die mit ein paar Westmark von den, wie er sie nannte Babuschkas -Die Grenzerinnen erinnerten ihn an die Soldatinnen der Roten Armee-, kontrolliert wurden. Dann mußten sie das Geld abgeben und wurden schikaniert bis zum geht nicht mehr. Am schlimmsten für ihn war ein Erlebnis in der S-Bahn als er zur Arbeit fuhr und eine alte Frau, die hatte wohl von ihrer Tochter Geld erhalten, von den Grenzerinnen gedemütigt und beschimpft wurde. Das war für ihn einer der Knackpunkte. Mein Vater war sogar Mitglied in der FDJ und glaubte zu dem Zeitpunkt wirklich die DDR wäre das bessere Deutschland.
    Mit Sicherheit gibt es viele, die selten, oder gar nicht darüber sprachen, oder nach ihrer Übersiedlung in den Westen einfach alles verdrängten.
    Aufgebaut hat sich mein alter Herr schon was, aber die Sehnsucht nach „seinem Berlin“ die blieb.

    Viele Grüße
    Taylor

    Ps.: Vielen Dank für das Kompliment, aber für jemanden der mal Germanistik studieren wollte ist meine Grammatik eher die eines Vorschülers. 🙂

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