Schrebergartenidylle

Für den Vorstand des Kleingartenvereins „Grüne Laube“ ging ein Traum in Erfüllung, als man es schaffte von der Gemeinde Land zu erwerben und in den bestehenden Grundplan zu integrieren.

„Ein wirklich erfolgreicher Tag,“ ließ sich der 1. Vorsitzende Dr. Herbert Steinweich im Vereinseigenen Blatt zitieren und schritt auch direkt zur Tat. Nicht nur wurde der erworbene Grund mit modernsten Mitteln durch den Kassenwart Dipl. Ing. Peter Grund vermessen und in zwei Teile aufgeteilt, man setzte auch sofort eine Anzeige in das lokale Anzeigenblatt „Das Knieritzdorfer Echo.“

Der alternative Kleingartenverein „Grüne Laube e.V.“ sucht per sofort Interessenten die vom Leben in der Natur träumen und alternatives Leben schätzen. Bei uns finden Sie keine kleinlichen Satzungen und Vorschriften, sondern können sich ganz der Natur ohne Einschränkungen hingeben. Unsere Mitglieder sind frei in ihren Ansichten und stellen einen Querschnitt durch die verschiedensten Biotope dar. Berwerbungen sind abzugeben beim Vorstand unseres Vereines unter folgender Adresse:

Benno Boll freute sich ein Loch in den Bauch als der Vorstand ihm nach 2 Monaten mitteilte, es wäre ihnen eine große Freude Herrn Boll als neues Mitglied im Club begrüßen zu dürfen und teilte ihm die Parzelle 26b zu mit einer Gesamtfläche von 210qm. Für Benno ging damit ein Traum in Erfüllung, denn schon als Kind träumte er davon eine alternative Landwirtschaft zu betreiben und einen riesigen Kräutergarten mit allen möglichen Pflanzen anzulegen. Sein Traum von einem Bauernhof ging zwar nicht in Erfüllung und er wurde Beamter in leitender Funktion, aber Hobbylandwirt ist ja auch schon was. So bezog er also mit allem was er in den Bau- und Gartenmärkten auftreiben konnte seine neue Parzelle. Die Mitglieder waren wirklich sehr nett und schnell schloß Benno neue Bekanntschaften. Schon nach 14 Tagen hielt er das erste Laubenfest zur Einweihung seiner Gartenlaube Toskana ab -Erworben bei TOBI für nur 1.499.99 € ein Schnäppchenpreis-.

Parzelle 26c vergab der Verein an Bruno Koslowski. Koslowski, ein gelernter Arbeitsloser, kam durch Zufall und Protektion an die Parzelle da eines der Mitglieder Sozialarbeiter im Rathaus war und im Rahmen eines neuen Sozialprojektes Langzeitarbeitslose durch verschiedene Maßnahmen wieder in den Kreis der Gesellschaft eingliedern sollte. Diese Maßnahme allerdings sollte sich für Herrn Boll noch als Verhängnis erweisen.

Am Anfang machte er sich aber noch keine allzugroßen Gedanken und begann seine Parzelle nach seinem Gusto zu gestalten. Es gelang ihm sogar ein Exemplar eines Kakaobaumes anzupflanzen, was eine absolute Sensation darstellen dürfte da Knieritz nicht in der Äquatorregion beheimatet ist. Die Arbeiten an den Wochenenden und nach Feierabend gingen gut voran und sein Garten gedieh prächtig. Der Zeitschrift „Der kleine Gartenfreund, Tips und Tricks für Hobbygärtner“ entging das nicht und man widmete Benno einen Artikel in der Juliausgabe. Er schwebte im 7. Himmel und achtete wenig bis gar nicht auf seinen Nachbarn Koslowski.

Koslowski sah seinen Schrebergarten in der Tat sehr alternativ an und machte…gar nichts. Das heißt er machte doch etwas. Zum einen legte er sich einfach nur auf die Wiese und zum anderen neidete er dem Nachbarn seinen Erfolg. Einmal in der Woche kam er mit seinem VW Bulli vorgefahren und wuchtete die von Arbeitsamt und Oma gesponserten Bierkästen Marke Donau Dröhnung Märzen in den vom Verein zur Verfügung gestellten Gartenschuppen und legte sich danach, zur Entspannung, in den von Mutti gekauften Liegestuhl. Mutti war nämlich froh, dass der Bub endlich mal rauskam an die frische Luft und ließ es sich nicht nehmen zur Einweihung eine niegelnagelneue Gartenliege zu schenken die vom Filius ausgiebig benutzt wurde. Nach kurzer Zeit war Bruno stinkig über Benno und sein blühendes Feuchtbiotop im hintersten Winkel -lobend erwähnt in der Vereinszeitschrift vom B.U.N.D.-. Er sah es überhaupt nicht ein, warum er denn arbeiten solle um erfolgreich zu sein, wenn sein Nachbar doch eigentlich schon alles für ihn vorbereitet hat. „Man muß sich nur nehmen,“ war sein Lieblingsmotto neben, „die anderen sind immer Schuld.“ An diese beiden Prinzipien hielt er sich stets und sehr erfolgreich. Es dauerte nicht lang und Benno bekam Post vom Verein. Natürlich dachte sich Benno nichts dabei als er den Brief öffnete und wurde eine halbe Stunde später von seiner Ehefrau Charlotte völlig aufgelöst auf dem Sofa gefunden.

Lieber Benno. Dein Nachbar Bruno hat sich über Dich beschwert. Laut seinen Aussagen wuchern nicht nur Deine Pflanzen in seine Parzelle hinein sondern behindern seine Bemühungen einer akzeptablen Gartengestaltung da Dein Lavendel offensichtlich angefangen hat Triebe in seiner Parzelle abzulegen. Da wir Bruno die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft geben wollen, schließlich verstehen wir uns auch als pädagogische Maßnahme, bitten wir Dich, lieber Benno, doch am nächsten Dienstag im Vereinshaus zu einer außerordentlichen Sitzung zu erscheinen, damit wir gemeinsam beraten können und Du zu den Vorwürfen Stellung nehmen kannst.

Benno war fassungslos. Bisher hatte er mit Koslowski nie was zu schaffen gehabt und wenn, ihm hin- und wieder Tips gegeben. Das seine Pflanzen das Nachbargelände konterminieren könnten hielt er für einen schlechten Scherz und wollte diesen natürlich aufklären.

Auf der außerordentlichen Sitzung waren alle Mitglieder versammelt und Kevin Popenpöhl-Sielmann hielt in seiner Eigenschaft als Brunos Mentor seine Rede. Schließlich war es seine Initiative die Bruno in den Club der Gartenbesitzer gebracht hatte und als Sozialarbeiter wollte er seine Reputation nicht gefährdet sehen. Bruno war ihm schließlich auch mit seiner unanachahmlichen Art an’s Herz gewachsen und als Zögling einer unterprivilegierten Familie, ohne Schulabschluss, Berufsausbildung oder sonstwas fühlte er sich als Teil der Gesellschaft auch indirekt für Brunos Schicksal verantwortlich. Sofort ging er in die Offensive und machte Benno für diese Sitzung verantwortlich. „Hättest Du Dich nicht so reingehängt, dann wären in Bruno keine Minderwertigkeitskomplexe entstanden. Du darfst nicht vergessen Bruno hatte keine so tolle Kindheit wie Du, oder ich. Sein Vater hat schon früh die Familie verlassen was bei Bruno einen tiefen Schuldkomplex ausgelöst hat. Hinzu kommt dass die Gesellschaft Bruno immer ausgegrenzt hat. Seinen Traum Pilot bei der Bundeswehr zu werden, konnte er sich, mangels vernünftiger Perspektiven, nie erfüllen. Schon früh mußte Bruno für die Familie aufkommen und konnte so nie einen Schulabschluss machen. Mit Aushilfsjobs hielt er sich über Wasser und der Schrebergarten war für ihn sein ein und alles.“ Während der Rede schneuzte sich Bruno laut und vernehmlich die Nase was bei den übrigen Mitgliedern zu Mitgefühl für dieses arme, unschuldige Menschlein führte. Benno versuchte sich zu verteidigen und verwies auf die Bodenbeschaffenheit, seinen Arbeitseinsatz und führte, um die These eines Pollenfluges zu widerlegen, eine Studie an, die er extra besorgt hatte. Kurz und knapp erklärte er, „es ist völlig unmöglich, dass mein Lavendel seine Parzelle getroffen haben kann.“

Nach einer kurzen Diskussion mahnte man Benno für sein Verhalten ab. Natürlich hatte Benno auch Fürsprecher im Verein, aber die Mehrheit der Mitglieder war der Meinung, sollte Benno sich weiterhin so unkameradschaftlich verhalten gefährde er das Gemeinwohl der Gruppe. Man teilte ihm weiter mit, man wolle die Gewohnheiten des Lavendels studieren und sollte dieser wirklich fremde Parzellen annektieren, dann müsse Benno diesen entfernen. Im übrigen, so stellte die Mehrheit fest, scheine eine Minderheit dem Spießertum zugeneigt zu sein und zwei oder drei bezeichneten den emerierten Botaniker Prof. Dr. Wolkenhain als Ökofaschisten, weil dieser in seiner Eigenschaft als Botaniker bezweifelte, dass Lavendel von sich aus irgendwelche Felder bestäuben könne. „Der Bruno hat sich beklagt und warum sollten wir ihm nicht glauben?“ war der Tenor.

Zwei Wochen später gab es wieder eine außerordentliche Sitzung nachdem Benno nicht wollte, dass Bruno und seine Freundin sich dem Liebesspiel in der Laube Toskana hingaben. Bruno bezichtigte daraufhin Benno des Rassismus und wandte sich an den Vorstand. „Ich wollte meine Freundin Sandy mal so richtig in der freien Natur durchficken, aber in meinem Schuppen geht das nicht und da habe ich gedacht, so als Naturfreund, warum fragst’e nich‘ mal den Benno. Der wird ja wohl nix dagegen haben, wenn ich mal eben seine Laube benutze. Das hat der einfach abgelehnt und gesagt seine Laube sei ja kein Dings.“

Benno stellte die Situation etwas anders dar und meinte, „Ich saß mit meiner Ehefrau vor unserer Laube, als plötzlich Koslowski mit seiner Perle auftauchte, „Ey Boll, ich hab Druck auf’m Rohr und meine Sandy will das ich es ihr mal so richtig besorge und sie mal von hinten ordentlich durchpoppe. Meine scheiss Hütte is‘ aba nich‘ so der Bringer und es soll ja auch gemütlich sein. Deine Hütte is‘ ja voll ausgestattet. Kanns‘ mit Deiner Alten auch mitmachen, die sieht mir eh so aus, als könnte sie mal einen ordentlichen Hengst vertragen und meine Kleine kann sogar einen Golfball durch einen 50m Wasserschlauch blasen.“ Das habe ich natürlich abgelehnt und angemerkt wenn sie Liebe machen möchten, dann sollen sie doch bitte ein Hotel aufsuchen, schließlich wäre unsere Laube keim Zwingerclub.“ Seine Ehefrau nickte zustimmend und beide wurden als Spießer bezeichnet. „Es ist unser Grundsatz,“ so ließ sich der 1. Vorsitzende vernehmen, „dass wir eine alternative Satzung haben ohne irgendwelche Zwänge. Bruno ist uns schon als Naturbursche aufgefallen und wir finden es es herabwürdigend wie Du den Bruno behandelst. Deine ganze Art die Dinge zu behandeln finden wir nicht gerade förderlich für das Vereinsleben in unserem Club und wir bitten Dich dringenst Bruno nicht ständig zu provozieren. Allein Deine arrogante Art wie Du hier den Sachverhalt schilderst ist schon unverschämt.“ Benno war fassungslos und zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, ob er nicht seine Parzelle abgeben sollte und den Traum vom Kleingärtner beerdigen. Da sprach ihm aber seine Frau in’s Gewissen und meinte er habe genauso viele Rechte wie Koslowski und sollte sich nicht in’s Bockshorn jagen lassen. „Schließlich hast Du genügend Zeit und Geld investiert um Deinen Traum zu leben und außerdem zahlst Du, im Gegensatz zu Koslowski monatlich genug Geld für die Parzelle.“

Koslowski merkte das er gegen diesen renitenten Gartenzwerg würde stärkere Geschütze auffahren müssen damit er endlich an sein Ziel kommt und die Parzelle übernehmen kann. So bekam er an einem Wochendende einen Schub und grub mit einem Spaten, den hatte ihm der Vorstand geliehen, dafür trank man auch Brüderschaft, ein riesengroßes Loch in Richtung Bennos Grundstück. Schon senkte sich der erste Pfosten nebst Gartenzaun bedrohlich Richtung Boden, als Benno in einer Eilaktion beim Vorstand intervenierte.

„Daran bist Du ganz alleine Schuld,“ ließ sich der Vorstand vernehmen, „hättest Du durch Dein spießiges Verhalten Bruno nicht unnötig provoziert, müßte dieser nicht zu solchen Maßnahmen greifen um uns die Lage begreiflich zu machen.“ Erst als Benno versprach, Bruno mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, sowie ihn an der Gemüseernte teilhaben zu lassen, lenkte Bruno ein und schwörte feierlich eine gute Nachbarschaft. „Bist echt ein voll guter Kumpel,“ dröhnte Bruno und zwang Benno zwei Flaschen Donau Dröhnung auf Ex zu trinken. „Boah ey, saufen kannst Du aber wie Bierkutscher.“ Vorerst war der Burgfrieden hergestellt und Benno gab nicht nur Rat, sondern stand auch mit Tat zur Seite und war in den nächsten Wochen eifrig bemüht Brunos Sanddüne in einen Garten zu verwandeln. Während er dies tat lag Bruno mit der neusten Ausgabe des Playboys auf seiner Liege und tüftelte über eine Pipeline vom Schuppen zu seinem Standplatz nach. „Wenn ich mich bewege, dann hab‘ ich ja nichts von der Plörre im Schuppen. Nach den paar Metern bin ich sofort wieder nüchtern. Und wenn ich die Kästen neben die Liege stelle, dann wird der Scheiß warm.“ Damit Bruno sein Bier wohl temperiert bekommt, stiftete Benno, sehr zum Wohlwollen des Vereins, Bruno nicht nur einen Kühlschrank, sondern schloß diesen an sein Stromnetz an. Dann besorgte er 5l Partyfässer und 20 Meter Kunststoffschlauch. Bruno konnte ab sofort auf seiner Liege den Himmel betrachten und war durch die Druckbetankung schneller blau.

Auf einer Mitgliederversammlung beschied man Benno eine günstige Sozialprognose nachdem sich nicht nur Bruno, sondern auch eigens hinzugezogene Experten wohlwollend über Bennos Entwicklung äußerten. Mitglieder die Brunos Verhalten empörend fanden wurden einfach nicht mehr eingeladen und durften auch nicht an Brunos Grillfesten teilnehmen, natürlich von Benno gesponsert. Trotzdem war Bruno unzufrieden und beschwerte sich mal wieder beim Vorstand. Er hatte festgestellt, dass in seinem Garten der Kakaobaum nicht blühte, der Lavendel ziemlich mickrig aussah und der Basilikum weniger Austrieb hatte als in Bennos Garten. Der Vorstand rief sofort eine Begehung ein und teilte Brunos Auffassung. Sofort wurde ein Schreiben an Benno aufgesetzt in dem man sich entäuscht von Bennos Verhalten zeigte. Auf Grund einer Expertenanalyse unterstellte man Benno eine Absicht am Mißlingen von Brunos Bemühungen einen schönen Schrebergarten sein Eigen zu nennen. Abschließend drohte man Benno ernsthafte Konsequenzen an sollte dieser nicht endlich kooperieren und zum Erfolg von Brunos Resozialisierung beitragen. „Wir können Dich auch ausschließen,“ wurde Benno unmißverständlich signalisiert.

Benno allerdings hatte genug. Er kündigte seine Mitgliedschaft und stellte seine Ambitionen ein. Heute hat er ein kleines Stückchen Land außerhalb der Stadt gepachtet und bewirtschaftet dies in seiner Freizeit zusammen mit seiner Frau. Ihr Schafskäse hat übrigens schon einen Preis gewonnen.

Was Bruno betrifft. Nach der Kapitulation bekam er Bennos Parzelle und verfiel kurze Zeit in Aktivität. Er riß eigenhändig den Lavendel aus, stellte dann seine Liege in der freien Fläche auf, weil er meinte die Sonne wäre dort am besten. Ein Jahr später wächst nichts mehr und seine Parzelle gleicht wieder einer Mondlandschaft. Allerdings ist auf seiner alten Parzelle ein neuer Nachbar. Daniel Grünbaum heißt der gute Mann und ist Diplom Landschaftsgärtner. Die ersten Kontakte soll es schon gegeben haben.

Ähnlichkeiten zum Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarn, oder zur Weltgemeinschaft sind natürlich nur rein zufällig. Die Palästinenser sind halt unschuldige Opfer böser Intrigen und brauchen nur Resozialisiert zu werden. Da muß sich Israel halt mal ein bisschen anstrengen.

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